Angst gehört zum Menschsein. Sie ist unangenehm, manchmal lähmend, aber vor allem: überlebenswichtig. Jeder Mensch kennt sie, ob als flüchtiges Unbehagen vor einer Prüfung, als Anspannung vor einem wichtigen Gespräch oder als tiefe, diffuse Sorge ohne erkennbaren Grund. Doch was genau passiert in uns, wenn wir Angst empfinden? Und welche Ängste sind normal und in welchem Ausmaß?
Was ist Angst und wie entsteht sie?
Angst gehört neben Freude, Trauer, Wut, Ekel, Überraschung und Verachtung zu den sieben Grundemotionen nach Paul Ekman 1. Diese Gefühle sind tief in uns verankert und dienen dem Überleben. Angst hat dabei eine zentrale Funktion: Sie warnt uns vor Gefahren und mobilisiert blitzschnell alle Kräfte, um reagieren zu können.
Damit das funktioniert, läuft im Gehirn ein fein abgestimmter Prozess ab:
Nimmt das Auge beispielsweise ein möglicherweise gefährliches Tier war (z.B. eine Spinne), sendet der visuelle Kortex die Information direkt an die Amygdala, den Mandelkern im limbischen System. Dort wird die Situation emotional bewertet („Gefahr“) und eine Alarmreaktion ausgelöst.
Die Amygdala aktiviert den Hirnstamm, der die Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin veranlasst. Der Sympathikus (das Stresssystem) erhöht Herzschlag, Atmung und Muskelspannung. Der Körper ist innerhalb von Sekunden bereit für Kampf, Flucht oder Erstarren.
Erst etwas später erreicht die Information den präfrontalen Kortex, also den Teil des Gehirns, der für höhere kognitive Funktionen zuständig ist. Dieser gleicht die Wahrnehmung mit Erinnerungen im Hippocampus ab und erkennt, dass es sich nicht um eine Gefahr handelt (z.B. ganz normaler Weberknecht).
Daraufhin sendet der Kortex ein Signal zurück an die Amygdala und gibt Entwarnung.
Der Parasympathikus, der Gegenspieler des Stresssystems, tritt in Aktion. Puls und Atmung normalisieren sich, die Muskulatur entspannt sich. Der Körper kehrt in einen Zustand von innerer Ruhe und Sicherheit zurück.
Diese Balance aus schneller Alarmreaktion und nachträglicher Beruhigung hält unser System psychisch gesund und flexibel.
Normale Angst oder Angststörung?
Angst ist zunächst ein gesundes, notwendiges Gefühl und gehört zum Leben dazu.
Typische „alltägliche“ Ängste sind zum Beispiel:
- Prüfungsangst oder Lampenfieber
- Angst vor Veränderungen oder Kontrollverlust
- Zukunftsängste in unsicheren Zeiten
Auch „normale“ Ängste können zeitweise sehr viel Raum einnehmen, etwa in Phasen hoher Belastung, bei großen Veränderungen oder anhaltendem Stress. In solchen Situationen kann es schwierig sein, allein wieder zur Ruhe zu finden. Psychologische Beratung kann hier hilfreich sein, um die eigenen Gefühle besser zu verstehen, Bewältigungsstrategien zu entwickeln und Schritt für Schritt wieder mehr Sicherheit und innere Balance zu gewinnen.
Tritt die Angst häufig oder dauerhaft, ohne erkennbare Bedrohung und/oder übermäßig stark auf, kann es sich um eine Angststörung handeln (also eine krankhafte Form der Angst). Auch Vermeidungsverhalten oder starke Beeinträchtigungen im Alltag können Hinweise darauf sein, dass die Angst ein normales Maß übersteigt. Hier kann eine Psychotherapie hilfreich sein.
Wie hilft psychologische Beratung bei Ängsten?
Nehmen Ängste sehr viel Raum ein, taucht häufig die Frage auf: „Brauche ich vielleicht eine Psychotherapie?“. Genau diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Viele Menschen erleben, dass es schwierig ist, einen Therapieplatz zu finden oder überhaupt einzuschätzen, ob eine Therapie aktuell sinnvoll und notwendig ist. Auch in diesem Fall kann psychologische Beratung hilfreich sein.
Psychologische Beratung
- hilft die Schwere und Dauer der Ängste einzuordnen.
- kann klären, ob eine psychotherapeutische Behandlung ratsam ist.
- bietet Unterstützung bei der Suche nach einem Therapieplatz.
- begleitet und gibt Stabilität, bis ein Platz gefunden ist.
Ein Beispiel:
Jemand leidet seit Wochen unter starker Unruhe und Schlafproblemen, fühlt sich aber noch in der Lage, zu arbeiten und soziale Kontakte zu pflegen. Eine psychologische Beratung kann hier helfen, die Situation einzuschätzen, Techniken zur Selbstregulation zu erlernen und gegebenenfalls den nächsten Schritt Richtung Therapie einzuleiten.
Ein anderes Beispiel:
Nach einer Trennung oder einem beruflichen Umbruch können Ängste auftreten, die zunächst „situativ“ sind, also verständlich und vorübergehend. Auch in solchen Fällen kann Beratung helfen, wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen, bevor sich die Angst chronifiziert.
Fazit
Angst ist ein grundlegendes, menschliches Gefühl. Sie schützt uns und zeigt, was uns wichtig ist. Normale Ängste gehören zum Leben dazu, können in belastenden Zeiten aber auch überhandnehmen.
In solchen Phasen kann psychologische Beratung unterstützen: Sie hilft, Ängste einzuordnen, Strategien zu entwickeln und zu entscheiden, ob eine Therapie sinnvoll ist.
- Ekman, Paul (2016). Gefühle lesen: Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren. 2. Aufl. (Übersetzung: Susanne Kuhlmann-Krieg & Matthias Reiss). ↩︎
